Analyse: „Buy the dip!“ – der Umgang mit dem „richtigen“ Einstiegszeitpunkt

Das Auf und Ab der Finanzmärkte ist ein systematischer Bestandteil der Vermögensbildung.

Das Auf und Ab der Finanzmärkte ist ein systematischer Bestandteil der Vermögensbildung. Doch während wir uns in der Theorie einig sind, dass sich die monetäre Achterbahnfahrt langfristig lohnt, gibt es in der Praxis so manche emotionale Hindernisse. Vor allem der Einstieg ist herausfordernd. Denn die Sorge vor einem Einbruch der überhitzen Märkte direkt nach der Erstanlage ist groß. Anstatt einer mutmaßlich riskanten Einmalanlage heißt es also: besser warten auf den richtigen Einstiegszeitpunkt – Buy the Dip! 

 

Kursverluste bereiten uns im Durchschnitt weitaus mehr Bauchschmerzen als verpasste Gewinne. Und so ist eine häufige Herangehensweise beim Einstieg in vermeintlich teure Märkte, erstmal auf einen Absturz der Kurse zu warten, bevor größere Summen investiert werden. Während DAX, S&P und Dow Jones von Rekordhoch zu Rekordhoch klettern, verbleibt viel Geld an der Seitenlinie. Die Hoffnung ist der große Knall. Also, dass die Märkte erstmal korrigieren und um 10 – 20 % fallen. Erst dann besteht der Vorsatz zu investieren und auch zu profitieren.

 

Dass diese Strategie ihren Preis hat, ist wenig überraschend. Geld am Seitenrand verursacht Kosten, sogenannte Opportunitätskosten. Diese beschreiben den Nutzenverlust durch entgangene Gewinne, die durch das Warten auf den großen Knall entstehen. Überraschend hingegen ist die Höhe des Preises. Der kanadische Vermögensverwalter PWL Capital Inc. hat sich den Opportunitätskosten gezielt gewidmet und eine Anlagestrategie modelliert, die systematisch wartet. Angewendet auf eine Vielzahl globaler Aktienmärkte zeigt sich: „Buy the Dip“ kostet Geld – viel Geld!

 

Die Idee von Benjamin Felix und Braden Warwick von PWL Capital Inc. zur Umsetzung der Erstinvestition ist folgende:

 

Mit einer Erstinvestition in den Aktienmarkt wird gewartet, bis dieser um (a) 10 % oder (b) 20 % gefallen ist, bevor das zuvor in risikolosen amerikanischen Staatsanleihen angelegte Geld vollständig in Aktien investiert wird. Verglichen wird der Anlageerfolg dieser Strategien monatlich auf Basis rollierender 10-Jahres-Zeiträume, anhand annualisierter und risikoadjustierter Renditen, mit einem sofortigen Direktinvestment. Der Testzeitraum der Strategie läuft von Januar 1970 bis Dezember 2020. Ein erstes, beeindruckendes Ergebnis der Studie ist der prozentuale Anteil von Monaten, in denen die jeweiligen Märkte ein Allzeithoch erreicht haben. So hat der MSCI World Index in 29,04 % aller Monate neue Rekordstände erreicht, wobei auf nur 2,12 % dieser Rekordmonate ein Markteinbruch um mehr als 10 % in den kommenden 12 Monaten folgte. Das heißt, auf mehr als 97 % aller Rekordmonate folgten weitere Rekordmonate und in weniger als 3 % aller Monate befand sich der Markt tatsächlich auf einem Höchststand, auf den ein Markteinbruch folgte.

 

Die weiteren Ergebnisse der Studie bestätigen den ersten Eindruck: Es war extrem unprofitabel, auf den großen Einbruch zu warten. In allen untersuchten Regionen haben die Renditen der sofortigen Einmalanlagen die Renditen der „Buy the Dip“-Strategien übertroffen – unabhängig vom aktuellen Kursniveau. Wer auf einen 10 %-Einbruch bis zur Erstinvestition wartete, bezahlte dafür im Durchschnitt einen Renditeabschlag von 0,6 % pro Jahr. Wer auf einen Verlust von 20 % wartete, unterlag der sofortigen Einmalanlage um durchschnittlich 2,2 % pro Jahr. Ausgehend von einer historischen Rendite der sofortigen Einmalanlagen im MSCI World von 1970 bis 2020 von durchschnittlich 9,27 % pro Jahr, lassen sich bereits für eine Anlagesumme von 10.000 USD massive Unterschiede feststellen:

 

Basierend auf den gravierenden Unterschieden in den finalen Erträgen der Strategien zeigt sich eindeutig der Mehrwert einer sofortigen Geldanlage, unabhängig von aktuellen Bewertungen. Wenn Anleger/innen ausnahmslos „Buy the Dip“ betreiben, lassen sich stärkere Kurseinbrüche durchaus vermeiden, doch die hohen Opportunitätskosten beseitigen langfristig sämtliche Vorteile. Dazu kommt, dass die Wenigsten so systematisch arbeiten können wie der Algorithmus in der vorgestellten Studie. Berücksichtigt man zusätzlich, dass das Warten auf den richtigen Einstiegszeitpunkt in steigenden Märkten eine große emotionale Herausforderung sein kann, an der viele Anleger/innen scheitern, werden die ohnehin schockierenden Resultate noch schlimmer.

 

Die Ergebnisse betonen erneut: Das wichtigste Kriterium für eine erfolgreiche Erstinvestition ist nicht der ideale Einstiegszeitpunkt. Es ist ein individuelles Anlagekonzept, das Ihrer individuellen Risikoneigung in jedem Marktumfeld gerecht wird.

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